Die Bürglensage mit der Sage von der wilden jagd
Auf der Bürglen, ehemals tief im Walde, soll in alter Zeit eine starke, wehrhafte Burg gestanden haben, bewohnt von sieben Brüdern und ihrem Schwesterchen. Die Brüder waren ohne Ausnahme üble Gesellen, Raub- und Strauchritter, die auch zu Hause ein schlimmes Lotterleben führten. Ganz anders war die Schwester, die am bösen Tun der Brüder keinen Anteil nahm, im Gegenteil, eh und je versuchte sie, die Brüder auf den guten Weg zurückzuführen. Ausserhalb der Burg, im nahen Dörfchen Koppigen half das Burgfräulein den Armen, Kranken und Verfolgten. Öfters schon hatte sie Wunden, körperliche und seelische, die ihre bösen Brüder irgendwem geschlagen hatten, lindern können. Vor allem aber war sie der Schutzengel der Kinder, betreute sie in den armseligen Hütten des Dörfchens und in den warmen Zeiten führte sie ihre Schützlinge oft an ihr Lieblingsplätzchen, in der Bachtelen (heute Bläue), wo am kristallklaren Bachtelenbrunnen stets die ersten Blumen erblühten. Hier flochten sie Kränze sangen fröhliche Lieder und waren allzeit guter Dinge. Das Leben und das Tun ihres Schwesterchens entging den bösen Brüdern nicht, sie grollten ihm, dass es ihr wüstes Leben nicht mitmachen wollte, und nach und nach steigerte sich ihr Groll zu Hass. Eines Tages, als das Burgfräulein wieder bei ihren Schützlingen im Dörfchen weilte, überbordete ihr Hass derart, dass sie beschlossen, das Schwesterchen von nun an zu strafen und zu quälen, bis es das ihrer Auffassung nach heuchlerische Tun im Dörfchen aufgebe und bedingungslos ihre Spiessgesellin werde. Aber das Schwesterchen war nicht da, und darum musste vorerst ihr Lieblingshund, der friedlich am warmen Kaminfeuer im Rittersaal döste, herhalten. Die teuflischen Gesellen ergriffen den Hund und hatten die Absicht, das arme Tier, über dem Kaminfeuer aufgehängt, lebendigen Körpers zu häuten. In Todesangst konnte sich der Hund im letzten Augenblick mit einem kräftigen Ruck befreien und den Schindern entwischen. Er floh dorthin, wohin er schon so oft seine Herrin begleitet hatte, in die Bachtelen. Dort war eine grosse Kinderschar um das schöne und liebliche Burgfräulein versammelt und diesmal war auch der Priester des Dörfchens dabei. Man stelle sich das Bild vor: Unter einer mächtigen, zartgrünen Weide sprudelte eine Quelle hervor, die ihr kristallklares Wasser in einen Teich ergoss. Hier am Ufer spielten und sangen die Kleinen, warfen Steine ins aufspritzende Wasser, während das Burgfräulein ein kleines, herziges Mädchen mit Blumen schmückte. Glücklich lächelnd schaute der Priester auf das friedliche Bild. Nicht lange dauerte es, da nahte das Verderben. Die Brüder wussten genau, wie vorher der Hund, wo sie ihre Schwester finden würden und machten sich, ohne zu verweilen, auf die Verfolgung. Ihnen sagte das friedliche Bild, das sie in der Bachtelen fanden, nichts, im Gegenteil, als sich der Priester unverzüglich schützend vor das Burgfräulein stellte, kannte ihre Wut keine Grenzen mehr. Mit einem wuchtigen Speerstoss durchbohrte der vorderste den Priester, und die anderen standen nicht zurück. Wie das Wild des Waldes wurde das Schwesterchen und die Kinder von Pfeilen und Speeren getroffen, und todwund sank das Burgfräulein neben den sterbenden Kindern zu Boden. Kein Leben regte sich bald mehr auf der blutgetränkten Erde, und mit letzter Kraft drehte sicher der Priester gegen die ruchlosen Mörder und schleuderte ihnen einen furchtbaren Fluch entgegen:" Unmenschliche Teufel, verflucht seid ihr bis in alle Ewigkeit, nie sollt ihr Ruhe finden im Grabe, auf ewig als wilde Jagd durch die Lüfte sausen, zum Schrecken und Entsetzen von Mensch und Tier". Wie vom Blitz getroffen erstarrten die Mordbuben unter der Wirkung dieses Fluches, so als ob eine kalte Geisterhand sie im Nacken umkrampfte. Mit Todesangst in den Augen blickten sie nun auf ihr todwundes Schwesterchen, ob sie von ihm, dem sie in seinem kurzen Leben nur Übles angetan, nun im letzten Augenblick in ihrer Not Hilfe bekämen. Der Brüder Todesangst rührte sie, mit letzter Anstrengung milderte sie des Priesters Fluch:" Nein, nicht auf ewig sollt ihr verflucht sein, wenn hundert Menschen, die von guten Wegen abgewichen, durch die Wilde Jagd wieder auf den guten Weg zurückgeführt worden sind, sollt auch ihr Ruhe finden".